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Indirekte Methode (Fragebogenerhebung) am Beispiel SyHD

„Von der Qualität des Fragebogens hängt es ab, ob die mit seiner Hilfe erhobenen Sprachdaten für die Erreichung des Abfrageziels von Wert sind“ (Eichhoff 1982: 551). Entscheidend ist dabei u. a. die Länge des Fragebogens. Ein zu langer Fragebogen kann die Rücklaufquote negativ beeinflussen (Die SyHD-Fragebogen enthielten 25 bis 35 Aufgaben). Er kann die Gewährspersonen von einer Teilnahme an der Befragung abschrecken oder während des Ausfüllens zu Ermüdungserscheinungen, automatisiertem Ausfüllen (z. B. alles ankreuzen, Kreuzchen immer gleich setzen) und Abbrüchen führen. Die Anordnung der zu bearbeitenden Aufgaben bzw. zu beantwortenden Fragen spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Um den Fragebogen möglichst abwechslungsreich zu gestalten und „Reihenfolge-Effekte“ bei der Beantwortung zu vermeiden, sollten sowohl die Aufgabentypen als auch die Phänomene in ihrer Abfolge variieren. Die Beantwortung einer Frage sollte daher auch nicht abhängig von der Beantwortung einer Vorgängerfrage sein. Die zu untersuchenden Phänomene sollten zudem mittels unterschiedlicher Aufgabentypen erhoben werden; so kann der Einfluss des Aufgabentyps bei der Analyse berücksichtigt werden. Außerdem unterscheiden sich die verschiedenen Aufgabentypen in ihren Anforderungen an die Gewährspersonen und liefern so unterschiedliche Erkenntnisse (s. u. Bewertungs- vs. Arbeitsaufgabe). Untersucht man nur ein Phänomen, dieses aber in unterschiedlichen Ausprägungen, können Distraktoren (auch: Ablenker) eingesetzt werden, um von dem eigentlich zu erhebenden Phänomen abzulenken. Ganz generell gilt zudem, dass die Aufgaben bzw. Fragen möglichst so angeordnet und gestellt sein sollten, dass die Gewährsperson nicht erkennt, was genau untersucht wird und welches Ergebnis man gerne hätte (vgl. dazu Albert/Koster 2002: 37–39). 

Wie kann ein Fragebogen zur Dialektsyntax aussehen?

Aufbau eines Fragebogens: Auf den ersten Seiten eines Fragebogens bietet es sich an, Arbeitsanweisungen und Hinweise zum Ausfüllen zu geben sowie relevante persönliche und soziolinguistische Angaben der Gewährspersonen zu erfragen und zu erfassen. Überdies sollte dem eigentlichen Arbeitsteil des Fragebogens, in dem die Gewährspersonen konkrete Aufgabenstellungen bearbeiten (z. B. Bilder beschreiben), eine Zusicherung der Anonymität und der rein wissenschaftlichen Nutzung der durch die Gewährspersonen gemachten Angaben vorangestellt sein. Am Ende eines Fragebogens kann den Gewährspersonen die Möglichkeit geboten werden, Kritik und Anregungen sowie die zum Ausfüllen des Fragebogens benötigte Zeit zu notieren. Natürlich ist es auch wichtig, den Gewährspersonen für ihre Mitarbeit zu danken. 

Wenn man mehrere Erhebungsrunden plant, bietet es sich zudem an, am Ende eines Fragebogens die Teilnahmebereitschaft der Gewährspersonen an weiteren Erhebungen zu erfragen. Findet eine Erhebung über einen längeren Zeitraum und mehrere Erhebungsrunden hinweg statt, kann es zudem von Nutzen sein, den Gewährspersonen Informationsmaterial zukommen zu lassen. Es ist wichtig, dass die Gewährspersonen Interesse am Projekt entwickeln und begeistert bei der Sache sind. Ergänzend zum Versand des (ersten) Fragebogens sollte daher auch ein Begleitbrief bzw. Anschreiben beigelegt werden, in dem man die eigene Motivation darlegt, sich und seine Arbeit vorstellt und um die Mithilfe der Gewährspersonen bittet sowie deren Wichtigkeit herausstellt. Um die ausgefüllten Fragebogen auch wirklich zurückzubekommen, sollte man bei postalischem Versand unbedingt einen frankierten und adressierten Rückumschlag beilegen, damit den Gewährspersonen keine Kosten entstehen. Die Festsetzung eines Rücksendedatums (z. B. im Anschreiben) kann zudem dazu beitragen, dass der Fragebogen bei den Gewährspersonen nicht in Vergessenheit gerät und man zu einem bestimmten Zeitpunkt auch wirklich eine gewisse Anzahl an Bogen zurückerhalten hat. 

Einige Studierende, die im Kontext von SyHD Seminar- oder Abschlussarbeiten geschrieben haben, haben in ihrem Heimatort Befragungen nach SyHD-Vorbild durchgeführt. In solchen Fällen bietet es sich natürlich an, die Fragebogen persönlich zu verteilen und auch wieder einzusammeln. Bevor man die Fragebogen verschickt oder verteilt, sollte man aber immer geprüft haben, ob die Aufgaben bzw. Fragestellungen auch wirklich funktionieren und (richtig) verstanden werden. Ausführliche Vorstudien mit einer gewissen Zahl an Teilnehmern, sogenannte Pretests, können helfen, die unterschiedlichsten Fehlerquellen (z. B. zu komplizierte oder missverständliche Fragestellungen, fehlerhafte „Dialektalisierungen“ (zur „Dialektalisierung“, d. h. der sprachlichen Anpassung der Stimuli an den Dialekt der Gewährspersonen, s. u.) zu identifizieren und in der endgültigen Fragebogenversion zu vermeiden. Natürlich muss man sich ganz zu Beginn auch Gedanken darüber machen, wen und wie viele Personen man überhaupt befragen möchte und einen geeigneten Untersuchungsgegenstand auswählen (zu den fünf Phasen in der Fragebogenentwicklung s. Albert/Koster 2002: 38)

Als Beispiel: Auszug aus der ersten Fragebogenerhebungsrunde von SyHD (standarddeutsche Fassung).

 

Wie sehen mögliche Aufgaben aus? 

Aufgaben: Die SyHD-Aufgaben können in Bewertungsfragen und Arbeitsaufgaben unterteilt werden. Mit Ausnahme der Ankreuzaufgaben (auch: Multiple-Choice-Aufgaben), die unter die Kategorie Bewertungsaufgabe fallen, handelt es sich bei Puzzle-, Ergänzungs- und Übersetzungsaufgaben sowie Einzelbild- und Bildsequenzbeschreibungen um Arbeitsaufgaben, bei denen die Gewährspersonen „mehr leisten müssen, als Kreuze zu setzen“ (Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 12). Während die Ankreuzaufgaben Aussagen zur Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz vorgegebener Varianten ermöglichen, erlauben freier gestaltete Aufgaben Aussagen zur aktiven Dialektkompetenz der Gewährspersonen (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 30). 

Die Aufgaben werden jeweils durch eine kurze Einstiegsgeschichte in einen „situationellen alltagsweltlichen Kontext“ eingebettet, der zur Aufgabenstellung überleitet, Informationen zur Bearbeitung liefert und teils so gestaltet ist, dass das Auftreten bestimmter Phänomene bewusst hervorgerufen wird (Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 13). Seiler (2010: 520) ergänzt, dass die Gewährspersonen durch die Einstiegsgeschichten von dem eigentlichen linguistischen Problem abgelenkt werden und spontaner antworten. Neben der Einstiegsgeschichte enthalten die SyHD-Aufgaben aufgabenspezifische Arbeitsanweisungen (z. B. Bitte übersetzen Sie den folgenden Satz in Ihr Platt/Ihren Dialekt und schreiben Sie ihn so auf, wie Sie ihn sagen würden!).

Ankreuzaufgabe (auch: Bewertungsaufgabe, Multiple-Choice-Aufgabe): Hier werden den Gewährspersonen unterschiedliche, in der Regel bis zu fünf, Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Im Rahmen der Aufgabenstellung werden sie aufgefordert, die Antwortmöglichkeit(en) anzukreuzen, die in ihrem Dialekt möglich ist/sind. Daneben haben sie die Möglichkeit, in einem freien Feld eine eigene Antwortmöglichkeit zu notieren. Abschließend können sie die natürlichste Antwortmöglichkeit auswählen. Bei SyHD stellt die Ankreuzaufgabe den am häufigsten verwendeten Aufgabentyp dar, der zudem phänomenübergreifend zum Einsatz kam (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 13–17).

Siehe z.B. Frage 11 aus der 1. Erhebungsrunde (E1_11)

 

Übersetzungsaufgabe: Hier werden die Gewährspersonen aufgefordert, einen standardsprachlichen Satz in ihren Dialekt zu übersetzen. Wenngleich dabei die Gefahr von „Echoformen“, d. h. der Wort-für-Wort-Übernahme der standardsprachlichen Vorgabe in den Dialekt besteht, ist die Übersetzungsaufgabe methodisch nicht inadäquat. Insbesondere Abweichungen von der Vorgabe sind interessant. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass optionale Konstruktionen bei Übersetzungsaufgaben seltener vorkommen können. Bei SyHD wurden u. a. der Gebrauch von Perfekt und Präteritum und der Relativsatzanschluss mithilfe von Übersetzungsaufgaben erhoben (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 22–23).

Siehe z.B. Frage 20 aus der 2. Erhebungsrunde (E2_20)

 

Ergänzungsaufgabe (auch: Lückentext): Hier wird den Gewährspersonen ein lückenhafter Satz vorgegeben, den es durch ein Wort oder eine Phrase zu vervollständigen gilt. Der situationelle Kontext und der zu ergänzende Satz sind dabei so gestaltet, dass die Möglichkeiten hierfür begrenzt und möglichst stark auf das intendierte Phänomen zugeschnitten sind. Bei SyHD wurden auf diese Weise u. a. der würde-/täte-Konjunktiv sowie Komparativ und Äquativ erhoben (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 23). 

Siehe z.B. Frage 7 aus der 3. Erhebungsrunde (E3_07)

 

Puzzleaufgabe: Den Gewährspersonen wird ein Teil des Antwortsatzes vorgegeben. Dieser enthält im Gegensatz zur Ergänzungsaufgabe aber keine Lücke, sondern soll von den Gewährspersonen vervollständigt bzw. zu Ende geführt werden. Die Wörter, die dabei verwendet werden sollen, werden ebenfalls vorgegeben. Es ist allerdings zu beachten, dass die Reihenfolge der vorgegebenen Wörter die Antworten der Gewährspersonen beeinflussen kann („Reihenfolge-Effekt“). Erhoben wurden so bei SyHD u. a. Progressiv- und Possessivkonstruktionen (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 24–25).

Siehe z.B. Frage 2 aus der 4. Erhebungsrunde (E4_02) 

 

Einzelbildbeschreibung: Im Mittelpunkt dieses Aufgabentyps steht, wie der Name schon sagt, eine Abbildung. Die Fragestellung (z. B. Was macht das Mädchen auf dem Bild gerade?), auf die die Gewährsperson in einem vollständigen Satz antworten soll, ist auf den Bildinhalt bezogen. Im Rahmen des situationellen Kontexts werden hier lediglich die Referenten eingeführt; es gibt keine längere Einstiegsgeschichte. Die Relation, in der die Referenten zueinander stehen, womit sie sich beschäftigen oder in welchem Zustand sie sich befinden, bleibt unerwähnt. Daher ist es auch wichtig, dass die Abbildung möglichst eindeutig gestaltet ist. Wenn es bspw. darum geht, die dargestellte Tätigkeit zu beschreiben, muss diese anhand der Abbildung auch eindeutig als solche erkennbar sein. Wenn eine Handlung nun aber nicht ganz so gut darstellbar ist, kann das intendierte Verb zusätzlich vorgegeben werden (vgl. Puzzleaufgabe). Anhand von Einzelbildbeschreibungen wurden bei SyHD sowohl die Progressivkonstruktionen als auch die Flexion des Zahlwortes zwei erhoben (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 18–19).

Siehe z.B. Frage 18 aus der 3. Erhebungsrunde (E3_18) 

 

Bildsequenzbeschreibung: Anstelle einer einzelnen Abbildung steht bei diesem Aufgabentyp eine Bildsequenz bestehend aus sechs thematisch aufeinander aufbauenden Einzelbildern im Fokus. Die Aufgabe der Gewährsperson besteht darin, das über die Bildsequenz transportierte Geschehen in nur einem Satz zu beschreiben. Abgebildet war bei SyHD jeweils ein Mann, dem etwas widerfährt; gefragt wurde Was passiert mit dem Mann? Bei SyHD wurden auf diese Weise das Rezipientenpassiv mit kriegen sowie alternative Konstruktionen (u. a. werden-/bekommen-Passiv, Konstruktionen mit lassen) erhoben (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 19–21). 

Siehe z.B. Frage 5 aus der 1. Erhebungsrunde (E1_05)

Da SyHD die Erhebung basisdialektaler Strukturen zum Ziel hat, wurden die Aufgaben „dialektalisiert“. Auf diese Weise sollte der Einfluss der Standardsprache reduziert und es den Gewährspersonen zudem erleichtert werden, im eigenen Dialekt zu antworten (das Schreiben im eigenen Dialekt ist für Dialektsprecher nicht selbstverständlich).

Dialektalisierung: Unter „Dialektalisierung“ ist die sprachliche Anpassung der Aufgaben bzw. bestimmter Aufgabenteile an den zu erhebenden Dialekt zu verstehen. So würde man in bestimmten Dialekten z. B. ick statt ich oder semelieren statt nachdenken vorgeben. Standardsprachliche Wörter ohne dialektale Entsprechung sollte man im Rahmen von „Dialektalisierungen“ generell vermeiden. Ein Wort wie Rasen etwa ist im Dialekt ungebräuchlich; hier wäre Wiese besser.

Im Fragebogen wird aber nicht alles „dialektalisiert“. Eine „Dialektalisierung“ findet nur im Arbeitsteil des Fragebogens statt, wobei auch hier bestimmte Aufgabenteile von der „Dialektalisierung“ ausgeschlossen sind. Der einleitende Kontext zu einer Aufgabe und die Arbeitsanweisungen sind stets in Standarddeutsch gehalten. Es werden nur die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, Lückentexte, Textbausteine sowie die Fragestellungen im Rahmen von Einzelbild- und Bildsequenzbeschreibungen (z. B. Was passiert mit dem Mann?, Was macht das Mädchen auf dem Bild gerade?) „dialektalisiert“.

Als Beispiel: Auszug aus der ersten Fragebogenerhebungsrunde von SyHD (NHTH und ZHNH).

Als Hilfsmittel für die „Dialektalisierung“ bieten sich Ortsgrammatiken, lokale sowie großlandschaftliche Wörterbücher und die Wenkerbogen an. Wenn man Sprecher des zu untersuchenden Dialektes persönlich kennt, können auch diese helfen. Bei mehreren Erhebungsrunden erweisen sich zudem die zurückgesandten Fragebogen und hier insbesondere die freien Antworten der Gewährspersonen als hilfreich (zur „Dialektalisierung“ vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 10–12).

 

Checkliste zur indirekten Erhebung:

  • Wurden Vorstudien (Pretests) durchgeführt, um den Fragebogen zu testen?
  • Ist dem Fragebogen ein Begleitbrief bzw. Anschreiben beigelegt? 
  • Wird (im Anschreiben) auf ein Rücksendedatum verwiesen?
  • Enthält der Fragebogen alle relevanten Bestandteile (Anleitung zum Ausfüllen, Platz für persönliche und soziolinguistische Angaben, Zusicherung der Anonymität etc.)?
  • Ist die Sprache im Fragebogen der zu untersuchenden Sprachvarietät angemessen, sind z. B. alle relevanten Aufgabenteile „dialektalisiert“?
  • Ist der Arbeitsteil des Fragebogens abwechslungsreich und ausgewogen gestaltet?
  • Wird am Ende des Fragebogens „Danke“ gesagt und nach der Meinung der Gewährspersonen gefragt? 
  • Ist der frankierte Rücksendeumschlag beigelegt?